Ja oder ja bzw. Nein oder nein?

Sagt man in einem Text ja oder Ja? Klar ist es nicht, weil in einzelnen Konstellationen die grammatische Regel dazu fehlt. Das gilt auch für Nein oder nein.

Sogar der Duden ist überfordert und kann keine klare Antwort geben: Es fehle die engere grammatische Umgebung dazu, um die Frage eindeutig zu beantworten.

Klar ist es, wenn ein Artikel davorgestellt werden kann. Beispielsweise: Ich bin für ein klares Nein. Oder: Ich traue diesem Ja nicht.

In anderen Sätzen hat man die freie Wahl, was die Gross- und Kleinschreibung angeht. Beispielsweise: Ich sage Ja/ja zu diesem Entscheid, aber Nein/nein zum Gegenvorschlag.

Der Duden empfiehlt in solchen Fällen allerdings die Grossschreibung.

Der Esel oder die Eselin geht immer mutig voran

In meinen Kursen stelle ich öfters fest, wie unsinnige Pseudoregeln, die man anscheinend irgendwann in der Ausbildung mal mitbekommen hat, das Schreiben unnötig einschränken.

Früher galt die Regel: Der erste Satz eines Briefes muss freundlich sein. Heute gilt: Kein Mensch hat Zeit für Höflichkeitsfloskeln. Niemand will lesen, wie konstruktiv die Sitzung war, wie freundlich das Telefongespräch oder wie sehr man es schätzt, die Offerte zuzustellen. Also ohne zeitfressende Floskeln und Herumscharwenzeln zur Sache kommen – nach dem ersten Satz muss die Leserin, der Leser wissen, worum es geht. Und ausserdem: So wie man sich verabschiedet, bleibt man in Erinnerung. Aber bitte nicht mit diesem lahmen «Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung»!

«Ich habe früher mal gelernt, dass man Sätze in Briefen nicht mit ‹Ich› anfangen soll. Ist das heute noch so?», werde ich oft gefragt. Das ist natürlich Nonsens. Wenn ich es mache, wie anders soll ich es dann schreiben? Das Gelernte kommt vielleicht von daher, dass man in schwarzpädogogischen Zeiten den Kindern eingetrichtert hat, dass bei Aufzählungen «der Esel immer am Schluss kommt». Sich selbst als Erstes zu nennen, also beispielsweise «ich und meine Freunde», zeuge von Egoismus und Unhöflichkeit. Natürlich alles Blödsinn.

Selbstverständlich darf der erste Satz in einem E-Mail oder in einem Brief mit «Ich» beginnen. Der Esel oder die Eselin geht immer mutig voran!

ChatGPT macht Sprache zum Einheitsbrei

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten ein nettes und zuvorkommendes E-Mail von einer Kollegin und freuen sich darüber. Was Sie nicht wissen können, ist, dass das auf den ersten Blick sehr persönliche Mail von ChatGPT generiert wurde.

Wenn Sie es je erfahren würden – wie fühlten Sie sich? Möglicherweise als ziemlich respekt- und stillos behandelt. Dieses Szenario ist längst keine Fiktion mehr, sondern Realität. Gemäss Umfragen greift bereits eine beträchtliche Anzahl von Privatpersonen, KMU und Gewerbebetriebe auf ChatGPT zurück, um E-Mails zu verfassen oder sogar Werbetexte zu «optimieren».

Eine neue Ebene der Kommunikation
Es ist eine neue Ebene in der Kommunikation, dass wir Maschinen persönliche Mails oder Briefe schreiben lassen. Der Prompt dazu könnte dann so lauten: Bedanke dich bei Kunde Hans Muster für die Bestellung. Sag, dass wir uns freuen. Wenn er Fragen hat, kann er uns anrufen. In drei Sekunden ist das Fake-Mail geschrieben, ins Outlook kopiert und unterwegs zum Kunden.
Diese Praxis erstreckt sich zunehmend auch auf redaktionelle Inhalte sowie Geschäftsberichte und Website-Texte, die immer öfters aus dem unendlichen Fundus des World Wide Webs stammen.

Sprache wird zum Einheitsbrei
Die Verwendung von ChatGPT hat ihren Preis: Sie führt zu einer sprachlichen Uniformität, die es schwierig macht, sich durch Individualität oder Alleinstellungsmerkmale sprachlich hervorzuheben oder abzugrenzen. Der Grund dafür: Alle zapfen den gleichen Topf an.

Zudem werden durch KI die schlimmsten Phrasen und Floskeln wiederbelebt, die längst als abgeschafft galten. «Bezugnehmend auf unser freundliches Telefongespräch», «steht jederzeit gerne zur Verfügung» und «hofft, mit diesen Angaben gedient zu haben» sind nur einige Beispiele dafür. Zudem ignoriert ChatGPT konsequent die weibliche Form.

Schluss mit zeitfressenden Einstiegssätzen

Jaja, man will freundlich sein und startet deshalb das E-Mail mit dem verhängnisvollen Satz: «Bezugnehmend auf unser soeben geführtes freundliches Telefongespräch sende ich Ihnen …» Dabei kann doch davon ausgegangen werden, dass der Empfänger, die Empfängerin selbst in der Lage ist, sich fünf Minuten zurückzuerinnern. Oder: «Danke für Ihr Interesse an unseren Produkten.» Hätte er oder sie eine Offerte verlangt, hätten sie kein Interesse?

Also reine Zeitverschwendung. Starten Sie das Mail besser gleich mit der Hauptbotschaft, und ersparen Sie Ihren Kunden schleimige Einstiegsfloskeln. Solche erhalten sie von anderen Absendern noch oft genug.

Das geht dann so (gleich nach der Anrede): «Für die Offerte haben wir zwei Varianten berechnet – ich bin gespannt auf Ihre Meinung!» Oder: «Bitte senden Sie uns ein Exemplar des Vertrags bis am 25. Februar 2024 zurück.»

Bedanken können Sie sich am Schluss des Mails immer noch – oder dem Empfänger, der Empfängerin einen guten Wochenstart wünschen. Denn: So wie man sich verabschiedet, so bleibt man in Erinnerung.

Von Anglizismen und Helvetismen

Feedback oder Rückmeldung? Fahrrad oder Velo? Klingen oder tönen?

Als Anglizismus wird eine Redewendung oder eine Wortbildung bezeichnet, die aus dem Englischen in die deutsche Sprache übernommen wurde. Wie beispielsweise der Laptop, der Container, das Team und die Jeans. Oder cool, clever, easy und happy. Nun kann man sich darüber ärgern – so wie man sich auch über jedes Fremdwort ärgern kann –, oder man sieht die Anglizismen als Bereicherung unserer Sprache an. Beispielsweise, um etwas gezielter auf den Punkt zu bringen. Oder als Stilmittel, um einem Text eine gewisse Eigenart zu verleihen.

Nicht alle Anglizismen sind allerdings auf den ersten Blick erkennbar. Beispielsweise «jemanden feuern» bekam erst durch das englische «to fire» auch im Deutschen die Bedeutung, jemanden zu entlassen. Und dann gibt es viele Anglizismen, die wir uns im wahrsten Sinne des Wortes selbst eingebrockt haben. Das Handy existiert im Englischen so wenig wie der Service-Point oder der Showmaster. Man redet hier von sogenannten Scheinentlehnungen.

Helvetismen – die schweizerische Sprache

Unsere Sprache ist einzigartig. Das Französisch der Westschweiz verleiht ihr den Flair (Rendez-vous, Tête-à-tête, Apéro) und das Italienische die Lebensfreude des Südens (piccobello, avanti, Casanova). Aber auch das Deutsch der Schweizer und Schweizerinnen (und damit ist nicht die Mundart gemeint) unterscheidet sich von demjenigen der Deutschen und Österreicher. Wir parkieren (statt parken) und grillieren (statt grillen). Wir finden, dass etwas gut tönt (nicht klingt). Wir trinken Hahnenwasser (statt Leitungswasser) und nach Feierabend ein Cüpli.

Fast jeder zweite Schulabgänger, jede zweite Schulabgängerin kann kaum lesen

Aufgezeichnet von Nadja Pastega in der SonntagsZeitung vom 3. Dezember 2023

Am Dienstag kommt der neue Pisa-Test heraus. Frühere Ergebnisse zeigten: Fast jeder zweite Schulabgänger in der Schweiz kann kaum lesen. Warum ist das so? Sekundarlehrer Daniel Kachel erzählt von seinem Alltag.

Ich bin seit 23 Jahren Lehrer. Wenn ich gefragt werde, was sich in allen diesen Jahren stark verändert hat, muss ich sagen: Die Beherrschung der Sprache. Machen junge Menschen heute wirklich mehr Rechtschreibfehler als früher, haben sie mehr Mühe mit dem Lesen haben und können sie sich weniger gut ausdrücken? Meine Antwort: leider ja.

Der Sprachgebrauch hat sich in den letzten Jahren geändert, auch zu Hause. Eltern reden weniger mit ihren Kindern. Das fängt schon damit an, dass Vater und Mutter den Kinderwagen stossen und am Handy-Bildschirm kleben, statt mit ihren Kindern zu reden. Wie soll der Nachwuchs so lernen, sich sprachlich auszudrücken?

Wenn die jungen Menschen dann später Konflikte haben, tragen sie das körperlich aus: «Ich muss dich jetzt würgen», «ich kicke in dein Velo». Wie anders sollen sie ihre Gefühlslage ausdrücken? Das haben sie nie gelernt.

Am Dienstag kommt der neue Pisa-Test heraus. Die letzte Erhebung hat gezeigt, dass fast die Hälfte der 15-jährigen Schulabgänger so schlecht lesen können, dass sie für den Alltag nicht genügend gewappnet sind. Sie verstehen wichtige schriftliche Informationen nicht. Das betrifft längst nicht nur Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien, sondern auch «Einheimische». Und es geht nicht nur um Sek-B- und -C-Schüler. Auch in den A-Klassen hapert es zum Teil gewaltig.

Wir versuchen alles, um Migrantenkindern Deutsch beizubringen. Sie bekommen entsprechenden Sprachunterricht. Oft ist es aber so, dass die zugewanderten Eltern zu Hause mit ihren Kindern kein Deutsch sprechen, weil sie den Bezug zu den eigenen Wurzeln vermitteln wollen.

Es gibt Schüler, deren Eltern schon länger in der Schweiz sind, die aber im Unterricht ständig nach einem «Translator!» rufen, einem Übersetzer im Klassenzimmer. Da muss ich dann auch mal sagen: Nein, es gibt jetzt keinen Übersetzer mehr – der Translator ist in deinem Kopf.

Das Problem: Deutschkenntnisse braucht man überall im Alltag, auch in der Schule. Nehmen wir den Mathematikunterricht. Da geht es heute nicht mehr nur um das Lösen von Stöcklirechnungen, es gibt auch Textaufgaben. Da scheitern manche Schülerinnen und Schüler schon daran, dass sie die Aufgabe rein sprachlich nicht verstehen.

Ich möchte nicht verallgemeinern. Es gibt Jugendliche, die es erfreulich gut machen. Aber zum Teil ist es erschreckend. Wir reden hier nicht von Adverbial- und Partizipkonstruktionen. Sondern von Grundsätzen auf Deutsch. Wie etwa Rechtschreibung.

Die Schülerinnen und Schüler schreiben, wie sie denken und reden. Ohne Punkt und Komma. Und meist in Mundart. Gross- und Kleinschreibung? Kann man vergessen. Bei manchen Erwachsenen ist es heute auch nicht besser.

Da spüre ich als Lehrer auch die Folgen der sozialen Medien mit Kurznachrichten über Whatsapp. Man schaut weniger genau hin, was man geschrieben hat. Orthografie? Who cares! Interpunktion? So was von gestern.

Regelmässiges Lesen wäre wichtig, um die Sprachkompetenz zu entwickeln. Aber die Leselust der Jugendlichen ist meist nicht sonderlich gross. Sie ziehen sich lieber eine Serie rein oder konsumieren bequeme Unterhaltung. Wenn sie lesen, dann meist nur Posts und Reposts auf Whatsapp oder anderen Internet-Plattformen, deren sprachliche Reichhaltigkeit zu wünschen übrig lässt. Darum gehe ich regelmässig mit meinen Schülern in Bibliotheken – das ist für sie oft der einzige Zugang zu qualitativ guter Lektüre.

Man muss sich natürlich heute an den Schulen fragen, wofür man die immer knapper werdende Unterrichtszeit einsetzen soll. Ich heisse es nicht gut, wenn man die Rechtschreibung nicht mehr beherrscht. Aber gleichzeitig muss man aufpassen, dass man nicht an den künftigen Anforderungen vorbei unterrichtet. Diktate sind ein gutes Beispiel. Als junger Lehrer habe ich das öfter gemacht, heute noch einmal pro Jahr. Heute gibt es Rechtschreibprogramme und künstlichen Intelligenz, die ganze Texte verfasst. Soll ich da tatsächlich Orthografie pauken?

Stattdessen möchte ich, dass sich die Schülerinnen und Schüler mündlich ausdrücken undeinander zuhören können. Eine Selbstverständlichkeit, könnte man meinen. Aber das ist leider nicht mehr der Fall. Wenn die Jugendlichen miteinander reden, tun sie das oft fragmentarisch: «Gömmer Glatt», «simmer Migros gsi».

Wenn sie so mit mir reden, sage ich jeweils: «Hey, mach einen ganzen Satz.» Auch die Eltern sind hier gefordert. Ich möchte die Mütter und Väter dazu aufrufen, wieder mehr mit ihren Kindern zu reden – statt mit dem Nachwuchs nur noch ständig über das Smartphone zu kommunizieren!

«Herzlich willkommen» oder «Herzlich Willkommen»?

Wenn ich diese Frage im Unterricht stelle, weiss ich im Vornherein: mindestens die Hälfte, oft sogar zwei Drittel der Kursteilnehmenden wird sie falsch beantworten. Es handelt sich um den häufigsten Rechtschreibefehler im deutschsprachigen Raum – aus dem Grund wohl, weil man ihn gar nicht hinterfragt. Selbst auf Websites von renommierten Grossunternehmen taucht der Fehler auf.

Also, Hand aufs Herz, wie beantworten Sie die Frage?

«Herzlich willkommen» oder «Herzlich Willkommen»?

Richtig ist: «Herzlich willkommen». Der Grund dafür ist ein einfacher: Willkommen ist ein Adjektiv. Das Eigenschaftswort sagt, dass jemand herzlich willkommen ist.

Gerade bei Aussenbeschriftungen ist es schon verwunderlich, dass im Produktionsprozess niemand kurz den Duden zur Hand nimmt. Der Texter nicht, die Layouterin nicht, der Drucker nicht, die Auftraggeberin nicht, der Monteur nicht – der Fehler überwindet mit Leichtigkeit alle Kontrollstellen. Und dann hängt die Tafel an der Wand oder über dem Eingang: teuer, aber eben mit Fehler.

Oder ist es so, wie es mir in einem Hotel in Einsiedeln letztes Jahr widerfahren ist? Auf meinen augenzwinkernden Hinweis hin, dass man willkommen kleinschreibe, antwortete die Rezeptionistin: «Ich weiss, aber der Chef will es so.»

Aber, Achtung: Willkommen kann natürlich auch als Nomen eingesetzt werden. Beispielsweise so: «Ein herzliches Willkommen!»

Wir redigieren und korrigieren.

Achtung, Phrase!

«Wir hoffen, dass unsere Offerte Ihren Vorstellungen entspricht»

Wer nur noch hoffen kann, hat verloren. Dieser Satz signalisiert Unsicherheit und Zweifel. Die Empfängerin, der Empfänger denkt: Da hat einer seinen Job schlecht gemacht und hofft nun, dass wir es nicht merken und er den Auftrag trotzdem erhält.

Selbstbewusste formulieren anders. Sie sind von Ihrer Offerte überzeugt und sagen es auch.

Zum Beispiel so: «Auf der Baustelle XXX erledigen wir gerade alle Elektroarbeiten. Kommen Sie vorbei und überzeugen Sie sich von der Qualität unserer Arbeit!» Oder: «Wenn Sie bis Ende August bestellen, können wir Ihren Wunschtermin problemlos einhalten.» Oder: «Ein Anruf genügt, und wir legen sofort los!»

Und in Ihrer Firma? Schreiben die Mitarbeitenden floskelfrei?

Alle Adjektive töten?

Fachbücher und Sprachratgeber geisseln die Adjektive bei jeder Gelegenheit. Und sogar Mark Twain soll gesagt haben: «Wenn Sie ein Adjektiv sehen, töten Sie es sofort.»

Weshalb nur? Adjektive machen doch trockene Nomen anschaulicher und lebendiger; lösen Bilder aus. Gut, es muss ja nicht gerade «angstbeklommen», «gespenstergrausend» oder «leichenblass» sein. Aber schrecklicher Hunger ist doch irgendwie eindrücklicher als eben nur Hunger. Und warum darf eine Eiche nicht knorrig sein?

Allerdings dürfen Adjektive nicht zu Füllwörtern verkommen. Unter der derzeitigen Hitzewelle leidend, wird oft über «schwüle und feuchte Tage» gejammert. Das ist eine unnötige Wiederholung bzw. Doppelung. Auf Websites liest man von «qualitativ hochstehenden Produkten». Fragwürdig sind auch «nützliche Vorteile» oder «manuelle Handarbeit».

Es wird in verschiedenen Versionen kolportiert, dass einst ein Chefredaktor zu seinen Journalistinnen und Journalisten gesagt haben soll: «Bevor Sie ein Adjektiv hinschreiben, kommen Sie zu mir in den dritten Stock und fragen, ob es nötig ist.»

Die Umsetzung für den Schreiballtag: Würden Sie für dieses soeben hingeschriebene Adjektiv drei Treppen hochsteigen?

Wie schreibt Ihre Firma?

Der Unterschied
Adjektive beschreiben Nomen und weisen Personen und Dingen Eigenschaften zu (das grosse Haus, die kleine Werbeagentur).

Adverbien beziehen sich auf das Verb und beschreiben, wie, wann, warum oder wo etwas passiert (oberhalb der Bahnstrecke spazieren, gerne schreiben).

Das Chaos mit der neuen deutschen Rechtschreibung

So neu ist die neue deutsche Rechtschreibung gar nicht, wie ihre Bezeichnung vermuten lässt. Seit ihrer Einführung ist die Welt der Rechtschreibung allerdings nicht mehr ganz in Ordnung – ein Erfahrungsbericht aus der Unterrichtspraxis.

Die umfassende Rechtschreibreform wurde bereits 1996 ein- und durchgeführt; in den Jahren 2004 und 2006 wurde nur noch etwas nachgebessert. Vieles ist einfacher geworden, vor allem für Schülerinnen und Schüler, die die Rechtschreibregeln von Grund auf lernen. Schwer damit tun sich hingegen die Generationen, die von einem Tag auf den anderen mit den neuen Regeln konfrontiert wurden. Das heisst konkret, dass ein paar Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum alles über Bord werfen mussten, was sie über Jahre in ihrer Schulzeit gebüffelt hatten. Mehr als 25 Jahre nach Einführung der Reform herrscht immer noch Unsicherheit.

Sie oder sie? Du oder du?

So ist es nicht verwunderlich, dass in unseren Kursen und Lehrgängen immer wieder dieselben Fragen auftauchen. Beispielsweise, warum man die Höflichkeitsform mit der neuen deutschen Rechtschreibung abgeschafft habe und nun «Sie» und «Ihre» kleinschreiben müsse. Das aber hat die Rechtschreibreform nie beabsichtigt, das ist ein Missverständnis, das bis heute noch nicht überall ausgeräumt ist. Die Kleinschreibung gilt nur für «du», «deine» und «eure». Wobei der Duden die Grossschreibung hier wieder zulässt, was die Sache auch nicht einfacher macht. Er empfiehlt sogar, «Du» wieder grosszuschreiben. Die Krux dabei ist, dass ein verbindliches Regelwerk wie der Duden «Empfehlungen» abgibt und dabei mehrere Schreibweisen zulässt. Um es volkstümlich zu sagen: Eigentlich ist das doch völlig gaga. Dieses Adjektiv kennt der Duden übrigens – es bedeutet, nicht recht bei Verstand zu sein … (Hier könnte man jetzt einen Smiley setzen.)

Allerdings gibt es dazu auch eine Regel. Generell wird das Anredepronomen «du» kleingeschrieben. Die Kleinschreibung gilt darüber hinaus auch für die Formen der Possessivpronomen «dein» und «euer». In Briefen und E-Mails, wenn der Empfänger, die Empfängerin direkt angesprochen wird, kann das «du» auch zum «Du» werden. Umgekehrt aber, in Erzählungen oder Romanen, werden «du» und die anderen genannten Wörter nie grossgeschrieben, da ja hier der Autor nicht den Leser oder die Leserin anredet, sondern der Dialog Teil der Handlung ist.

Herrn oder Herr?

Der neuen deutschen Rechtschreibung Unrecht tut der Kursteilnehmer, der kürzlich behauptet hat, dass «Herr» in einem Satz nicht mehr dekliniert werden dürfe. Und meinte, «ich sende das Protokoll auch an Herr Meier» klinge nun doch wirklich falsch. Es klingt (oder, schweizerisch: es tönt) nicht nur falsch, es ist auch falsch und hat mit der neuen deutschen Rechtschreibung nichts zu tun; alles kann man ihr auch nicht in die Schuhe schieben. In diesem Beispiel ist der Akkusativ nötig – an wen sende ich das Protokoll? An Herrn Meier.

Spazieren gehen oder spazierengehen?

Kopfzerbrechen bereitet auch, wenn zwei Verben aufeinandertreffen, und man sich fragen muss, ob sie nun zusammen- oder getrenntgeschrieben werden. «Spazieren gehen» oder «spazierengehen»? Richtig ist: spazieren gehen. Die Regel dafür: Verbindungen aus Infinitiv (Grundform) und Verb werden immer getrennt geschrieben. Und wie verhält es sich mit kennen lernen? Besser kennenlernen? Der Duden empfiehlt «kennenlernen» – kein Wunder, dass dieses Verb zu den rechtschreiblich schwierigen Wörtern gehört, die der Duden führt. Das bedeutet, dass sie überdurchschnittlich oft falsch geschrieben werden.

Sind Sie einzigartig?

Wenn Sie Ihre Briefe und E-Mails mit «Bezugnehmend auf Ihren gestrigen Anruf sende ich Ihnen beiliegend unsere neue Broschüre» anfangen und mit «… für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung» beenden – dann eher nicht. Und Ihr Arbeitgeber, der solche Sätze zulässt, ebenso wenig.

Einzigartig heisst ja einmalig, ohnegleichen, exklusiv … Und die meisten Menschen nehmen das auch für sich persönlich in Anspruch. Sie kleiden sich in ihrem eigenen Stil, kombinieren die passenden Farben, wohnen individuell möbliert, wählen ein Auto nach persönlichen Kriterien aus.

Bei der Sprache sind sie weniger wählerisch. Meistens übernimmt man Vertrautes und begnügt sich mit ausgeleierten Floskeln. Und kaum jemand kümmert sich um einen persönlichen Schreibstil.

Gleiches gilt auch für die meisten Unternehmen. Die Sprache ist selten Teil der Identität. Firmen beschreiben sich in Leitsätzen, kreieren ein Logo und bedrucken damit das Geschäftspapier und -auto. Umfragen haben ergeben, dass sich rund die Hälfte aller Firmen im deutschsprachigen Raum gar nicht bewusst ist, dass die Unternehmenssprache ein wichtiger Teil des Auftritts sein könnte. Und schon gar nicht die Brief- und E-Mail-Sprache, über die tagtäglich die meisten Kontakte mit Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Partnern stattfinden.

Wikipedia beschreibt Floskeln und Phrasen so: «In der Umgangssprache werden viele Floskeln verwendet, oft ohne dass man sich dessen bewusst ist. […] Dabei macht jede Floskel für sich noch kein schlechtes Deutsch aus. Allein ihr unablässiger, zwanghafter und unbewusster Gebrauch weist ihre Verwender als Menschen aus, die sich kaum, nicht hinreichend oder gar nicht mehr der Mühe sorgfältiger und präziser Formulierung unterziehen.» Dieser Satz bringt es auf den Punkt: Floskeln sind nie persönlich, nie empfängerorientiert. Sie sind austauschbar und nie einzigartig. Der Kunde, die Kundin ist es nicht wert, einen persönlichen und einzigartigen Satz zu formulieren.

Nehmen wir spontan ein paar Sätze aus irgendeiner Website oder einer Werbebroschüre. Was meinen Sie dazu?

«Kompetente Beratung, ein seriöses Offert- und Auftragswesen, eine klare Arbeitsplanung und die Qualitätssicherung sind für unser Unternehmen selbstverständlich und eine Voraussetzung für ein gutes Endprodukt.»

Dieser Satz ist ein Kunstwerk: 210 Zeichen (inkl. Leerschlägen) und keine Aussage. Aneinandergereihte Selbstverständlichkeiten; klingt zwar auf den ersten Blick ganz passabel, ist aber nichts wert.

«Ein Schadenfall ist eine ungewohnte Situation, die immer auch mit organisatorischem und administrativem Aufwand verbunden ist.»

Ehrlich jetzt? Danke, liebe Versicherung, darauf wären wir ohne diesen Hinweis nie gekommen. Das Auto hat zwar Totalschaden oder die Küche ist ausgebrannt – aber dass dies eine ungewohnte Situation sein könnte, verbunden mit administrativem Aufwand, das hätten wir ohne diesen Satz nicht herausgefunden.

«Jede unserer Lösungen beginnt mit einer individuellen und fachmännischen Beratung. Unser oberstes Ziel ist es, Ihre Wünsche und Vorstellungen optimal umzusetzen.»

Gut gemeint – aber ist das nicht klar? Ist das nicht das Mindeste, was der Kunde, die Kundin erwartet? Und kann dieser Satz nicht von fast allen Firmen verwendet werden?

Tipps für einen guten Text

«Schreibe kurz, und sie werden es lesen. Schreibe klar, und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft, und sie werden es im Gedächtnis behalten.» Dieses Zitat stammt von Joseph Pulitzer, einem amerikanischen Journalisten und Zeitungsverleger, nach dem unter anderem der Pulitzer-Preis benannt wurde, der für Journalisten etwa den Stellenwert eines Oscars hat. Pulitzers ersten beiden Sätze können wir vorbehaltslos unterzeichnen. Bildhaft schreiben ist in der Geschäftskorrespondenz allerdings nur dosiert zu empfehlen. Man kann aber sicher davon ausgehen, dass Pulitzer die folgenden sechs Regeln auch gutheissen würde. Weil er 1911 verstorben ist, müssen wir es allerdings bei dieser Vermutung belassen.

Tipp 1: Klare und kurze Sätze

Der ideale Satz in einem E-Mail sollte nicht mehr als fünf oder sechs Wörter umfassen, in einem Brief nicht mehr als zehn bis zwölf. Was länger ist, kann nicht mit einem Blick erfasst werden und wird deshalb als mühsam empfunden.

So nicht: «Ich behalte mir vor, Ihnen kurzfristig abgesagte Therapiestunden privat in Rechnung zu stellen, und bitte Sie deshalb, sich oder Ihr Kind im Verhinderungsfalle rechtzeitig, spätestens jedoch 24 Stunden vorher, abzumelden.»

Besser: «Nicht mindestens 24 Stunden vorher abgesagte Therapiestunden werden privat in Rechnung gestellt.»

Tipp 2: Keine Modalverben

«Es freut uns, Sie zu unserem Firmenjubiläum einladen zu dürfen.» Zu dürfen?
Besser: «Wir laden Sie herzlich zu unserem Firmenjubliäum ein.»

Dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen: Mit diesen Modalverben kann man den Inhalt einer Aussage ändern. Es ist ein Unterschied, ob man darf oder muss. In der Geschäftskorrespondenz sind Modalverben aber meistens unnötig und vernebeln die Aussage

Tipp 3: Keine Nominalisierungen

Hauptwort, Dingwort, Substantiv, Nomen – die Wortart hat verschiedene ältere und neuere Bezeichnungen. Heute reden wir von Nomen. Damit die Sätze den Schwung nicht verlieren und nicht bürokratisch daherkommen, werden aus Verben und Adjektiven möglichst keine Nomen gebildet. Ganz schlimm wird es, wenn sie mit -ung enden: Rücksendung, Bemühung, Klärung etc.

Also statt: «Für die Erteilung des Auftrags danken wir Ihnen.»

Besser: «Danke für den Auftrag!»

Tipp 4: «Gewöhnliche» Wörter wählen – Fremdwörter oder Fachausdrücke nur wenn nötig

Schopenhauer hat gesagt: «Brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.» Dazu ist nicht immer ein Fremdwort oder eine Bezeichnung nötig, die ausserhalb des Fachbereichs kein Mensch versteht. Obwohl, man muss es zugeben, «Feedback» schöner klingt als die schreckliche deutsche «Rückmeldung».

Man kann es so sagen: «Als Attachement erhalten Sie die Bilder der neuen Location mitten in der City.»

Oder so: «Hier die Bilder des neuen Standorts: toll, mitten im Stadtzentrum!»

Teile dieses Artikels wurden bereits in den Zeitschriften «Miss Moneypenny» und «HRtoday» veröffentlicht.

Briefe und E-Mails sind Teil der Unternehmenssprache

Nur wenig Unternehmen kümmern sich um die Sprache. Dabei wäre sie ein wichtiger Teil der integrierten Kommunikation.

Der erste Arbeitstag. Vorstellungsrunde, eine Führung durch den Betrieb, der neue Arbeitsplatz, PC-Passwort und schon gehts los. Wie man einen Brief schreibt oder ein E-Mail, muss man schliesslich niemandem zeigen. Wirklich?

In den meisten Unternehmen ist die Sprache ein Zufallsprodukt. Und so schreibt auch die neue Direktionsassistentin einfach mal drauflos. Dabei hätte sie sich bereits in der Anrede fragen müssen, ob die Kunden und Kundinnen des neuen Arbeitgebers mit «Sehr geehrte», «Grüezi», «Guten Tag» oder «Hallo» angeschrieben werden. So schreibt sie halt «Grüezi», weil sie es als persönlich und nett empfindet und nicht ahnt, dass viele auf eben dieses «Grüezi» allergisch reagieren könnten.

Die Unternehmenssprache umfasst alles, was ein Unternehmen intern und extern kommuniziert. Da gehört natürlich nicht nur die Brief- und E-Mail-Sprache dazu, sondern wie sich die Firma am Telefon meldet, die Headlines und Botschaften in der Werbung, die Website, Broschüren, Geschäftsberichte, Social-Media-Postings und Powerpoint-Präsentationen. Ziel müsste sein, dem Unternehmen ein «sprachliches Gesicht» zu verleihen, das unverwechselbar ist und deshalb auch auf den ersten Blick bzw. nach dem ersten Satz erkennbar. Und dieses Gesicht muss abgestimmt sein auf die Art des Unternehmens, die Positionierung und auch auf die Branche. Ganz klar, dass eine Bank oder eine Krankenversicherung anders kommuniziert als eine Werbeagentur oder ein Blumengeschäft.

Der Sprachstil und die Sprachkultur ist also ein wichtiger Teil der Unternehmensidentität. Firmen werden wie Persönlichkeiten wahrgenommen. Man findet sie sympathisch oder eben nicht, nett, freundlich, zuvorkommend oder versnobt. Und obwohl die Sprache darauf einen grösseren Einfluss hat, konzentrieren sich die Firmen meist nur auf das visuelle Erscheinungsbild; Logo und Gestaltung vor Sprache. Dabei müsste alles aufeinander abgestimmt für die Markenbildung eingesetzt werden.

Im Marketing spricht man von sogenannten Touchpoints und meint damit, wie Kunden und Kundinnen, auch potenzielle, mit einer Firma in Berührung kommen. Das kann eine Anzeige einer Zeitschrift sein, ein beschrifteter Lastwagen, die Website, eine Empfehlung, das Schaufenster oder die Korrespondenz, digital oder auf Papier. Diese Berührungspunkte können positiv oder negativ ausfallen. Wenn ein Aussendienstmitarbeiter mit seinem Geschäftsauto durch die Stadt rast, färbt das negativ auf die Firma ab, ein schnoddriges und überhebliches E-Mail auch.

200 Milliarden E-Mails werden weltweit pro Tag verschickt, vermutlich der grössere Teil geschäftlicher Art, weil ja privat über Facebook, WhatsApp & Co. kommuniziert wird. In der Schweiz sollen es, je nach Quelle, rund eine Million sein. Eine gewaltige Flut von Touchpoints also mit Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Geschäftspartnern. Und damit eben auch jedes Mal die Chance, den Empfänger, die Empfängerin zu beindrucken, an das Unternehmen zu binden oder sie eben zu verärgern oder respektlos zu behandeln. Einerseits – andererseits aber auch, die Marke, das Unternehmen zu stärken oder zu schwächen.

Wie einige Schriften verführen – und andere abstossen

Aus dem «Tages-Anzeiger» vom 3. Juni 2021

Typografie Schriften sind die Kleider unserer Gedanken. Sie lassen Texte mal schlicht, mal schrill auftreten. Redaktorinnen und Redaktoren nennen ihre persönlichen Favoriten.

Courier: Blaumann fur Geistesarbeit

Weshalb denken wir über Schriften nach? Weshalb verführen uns die einen? Wieso schmerzen andere in den Augen? Wieso arbeiten Menschen mit verschiedenen Schriften? Ganz einfach: weil Schriften die Kleider unserer Gedanken sind. Sie lassen Texte nobel auftreten, schrill oder schlicht, und genauso wie die Kleidung, so zumindest meine Meinung, muss man Schriften passend zu Tätigkeit und Anlass wählen.

Welches sind die typografischen Basics in meinem Schriftenschrank? Mit zwei Schriften habe ich mich noch nie blamiert. Courier, hervorgegangen aus einer Schreibmaschinenschrift, ist die erste Wahl für harte Arbeit: so schnörkellos, so ehrlich, so faktisch – ideal, um E-Mails zu tippen, Artikel zu schreiben, Texte zu korrigieren. Ein Blaumann für Geistesarbeit. Gelingt ein Text tatsächlich, verdient er auf Dauer einen Auftritt, womöglich gar auf Papier, dann ist die Egyptienne F, die Serifen-Schrift, entworfen 1956 vom weltberühmten Schweizer Gestalter Adrian Frutiger, auch heute noch die coolste Wahl: Sie vereinigt Eleganz und Autorität – wie ein satt taillierter marineblauer Anzug. Michael Marti

Arial: Die Schrift, die nicht vom Text ablenkt

Arial war lange Zeit die Standardschrift für Microsoft Office (sie wurde dann durch Calibri ersetzt, welche nun wiederum ersetzt wird – fünf neue Schriftarten wetteifern darum, sie zu beerben). Doch der jahrelange Dienst für den biederen Tech-Konzern prägt das Image von Arial immer noch. Die Schrift hat den Ruf, langweilig und träge zu sein. Viele Grafiker verachten sie. Seltsamerweise lieben dieselben Grafiker die Schriftart Helvetica, die mit Arial praktisch identisch ist. Item. Ich bin kein Grafiker. Wenn ich einer wäre, dann würde ich vielleicht mit einer Schrift tippen, die mit kleinen Spinnweben verhangen ist. Oder ist das uncool? Wahrscheinlich schon. Sehen Sie, genau das meine ich: Ich bin ein Schreibarbeiter. Ich brauche eine Schrift, die mich nicht ablenkt und die mich an nichts anderes erinnert als: an Text. Philippe Zweifel

Helvetica: Sie glättet die wirrsten Gedanken

Über meine Helvetica wurden schon viele böse Sachen gesagt. Sie sei die Schrift des globalen Konzernkapitalismus, weil sie so oft für Firmenlogos – BMW, Nestlé, Microsoft – verwendet wird. Sie sei so etwas wie das H & M der Typen, überall eingesetzt und trotzdem nichtssagend, ein Warnhinweis der Konformität. Sieht das Wort Trampolin in Helvetica etwa nach Spass aus? Sieht es nicht, und darum geht es: Helvetica, dieser rasend erfolgreiche Schweizer Weltexport aus den Nachkriegsjahren, schafft den visuellen Lärm weg. Lesbarkeit statt Unordnung, da ist Helvetica ganz Ausdruck der Moderne. Wenn ich die Schriftart benutze – Google Docs bietet die Weiterentwicklung Helvetica Neue an –, komme ich mir nicht originell vor, was ganz entschieden hilft, wenn man einen verständlichen Text schreiben will. In der Geschichte der serifenlosen Schrift strahlt Helvetica ausserdem etwas Vollendetes aus. Manche sehen darin schon fast totalitäre Züge, auch weil die Helvetica so viel Weissraum braucht. Ich aber habe die Schrift lieb gewonnen – weil sie glättet, wenn die eigenen Gedanken noch wirr sind. Also jedes Mal. Pascal Blum

Siefan George: Mix der Schrift des Grosslyrikers

Als Student der Literaturwissenschaften in einem sehr frühen Semester bildete ich mir etwas darauf ein, mit der Stefan-George-Schrift schreiben zu können. Das ist die Jugendstil-Schrift des geniusumwölkten Grosslyrikers (1868–1933), des opaken Dichters von «Komm in den totgesagten Park und schau». Stefan George hatte die Schrift – in Fachkreisen wird sie «St.-G.- Schrift» genannt – für seine Texte weitgehend selber entwickelt. Ich hatte die Schrift extra beim Heidelberger Institut für Textkritik eingekauft; für 50 Franken ist sie zu haben. Ich druckte also Sprüche und Gedichte in dieser Schriftart aus und hängte sie in der Wohngemeinschaft auf. Dies im Glauben, mir dadurch einen gewaltigen Distinktionsgewinn zu verschaffen. Doch das stimmte nicht. Also hörte ich wieder auf damit. Linus Schöpfer

Greta: die Sprengkraft von Lettern

Wenn alles politisch ist, wie gelegentlich behauptet wird, dann gilt das auch für Geschriebenes – und zwar nicht nur inhaltlich, sondern auch formal. Oder mit anderen Worten: Selbst die banalste Botschaft besitzt Sprengkraft, wenn man sie nur in den richtigen (bzw. falschen) Lettern setzt. Wers nicht glaubt, kann seine Einkaufsliste einmal mit dem Jackboot Font formatieren: Selbst die appetitlichen Lebensmittel werden sogleich ziemlich streng nach dem Dritten Reich riechen. Es gibt aber auch positive Schriften: Die Greta Grotesk ist die digitale Variante der Schreibschrift von Greta Thunberg, die anhand ihrer Schulstreik-Plakate entstanden ist und ihrer Botschaft Eindringlichkeit verleiht. Die Gilbert ist eine der ersten bunten Schriften überhaupt – dass die Farbe in der Typografie Einzug gehalten hat, ist übrigens den Emojis zu verdanken – und diese dem amerikanischen Künstler Gilbert Baker, der 1978 die Regenbogenfahne für die Lesben- und Schwulenbewegung entworfen hat und die ebenfalls für Frieden, Aufbruch und Toleranz steht. Und ja, es gibt auch die satirische Typografie: Wenn Sie sich im nächsten Memo ein bisschen über Ihren Chef lustig machen möchten, formatieren Sie es einfach in «Tiny Hand» – ein Font, der Donald Trumps Handschrift nachempfunden ist. Matthias Schüssler

Calibri: Damit lasst es sich leben

Die Suche nach der perfekten Schrift (oder wenigstens einer, die mich optisch nicht in den Wahnsinn treibt) rangiert auf der Liste meiner unlösbaren Lebensziele ganz weit oben. Ich habe schon alle möglichen ausprobiert, stunden-, wenn nicht tagelang Textblöcke markiert und dann Schrift für Schrift durchgeklickt in der Hoffnung, die eine zu finden, die sich endlich richtig anfühlt. Aber bislang waren sie entweder zu plump (Arial) oder zu eingebildet (Times New Roman), die Buchstaben viel zu eng beieinander, zu hochgezogen oder zu ausladend, zu verschnörkelt oder sogar im Normalzustand zu fett. Oder das a sah blöd aus. Und manche Schriften, allen voran Comic Sans, kann man einfach nicht ernst nehmen. Leider muss man sich ja irgendwann trotzdem für eine entscheiden. Leben kann ich aktuell mit Calibri. Aber nur, weil es nicht anders geht. Denise Jeitziner

Frutiger: Die Schrift zum Abheben

Als ich damals mit der Masterarbeit loslegte, war ich schon froh, dass mein Rumpelcomputer es überhaupt heil nach England geschafft hatte. An der Standardschrift, der alten Courier mit ihrem Schreibmaschinen-Look, würde ich nicht herumfingern; Hauptsache, es funktionierte. Später, als ich begann, für Zeitungen zu texten, entdeckte ich, dass die Schrift das Schreiben durchaus anschieben kann. Entsprechen Zeilenlänge und Schriftwahl dem Druck, entsteht ein optischer Denkraum im Kopf: Sätze formen sich im Zeitungsspaltenduktus. So taktete die Times New Roman über Jahre meinen Schreibrhythmus, lang bevor die USA 2004 für diplomatische Dokumente von der Courier New auf die Times New Roman umstellten. Bis ich irgendwann bemerkte: Spaltenvorgabe und Zeitungsoptik nutze ich kaum noch. Onlinetexte haben eh eine andere Formatierung, allmählich denkt man nur noch in Zeichenzahlen. Und Serifen sind fitzelig: Die älter werdenden Augen mögen es lieber leicht lesbar, selbst in kleinen Schriftgrössen – eine Flughafenschrift. Kurz: die Frutiger, die berühmteste Schrift des Berner Typo-Genies. Alexandra Kedves

Comforta: Komfortabel im Grossraumbüro

Es ist immer wieder verblüffend: Da hat man den Text x-mal durchgelesen, nachgefeilt, blank poliert. Aber sobald man ihn umformatiert zu, sagen wir: Comfortaa, sind da wieder Tippfehler. Und Wortwiederholungen. Und holprige Anschlüsse. Und allerlei sonst, was man dann erneut ausmerzt – um beim nächsten Schriftwechsel wieder andere Patzer zu entdecken. Es ist zum Verzweifeln, manchmal. Aber auch äusserst praktisch – vor allem, wenn es wieder einmal schnell gehen muss beim Schreiben. Ein Klick auf eine andere Schrift, ein Wechsel der Spaltenbreite, und schon wirkt der eigene Text wieder so fremd, dass man die Fehler und Haken darin entdeckt. Und das Schönste daran: Die Taktik taugt – im Unterschied zum ebenfalls sehr hilfreichen Lautlesen – auch fürs Grossraumbüro. Susanne Kübler

Wieder in die Floskel-Falle getippt

In Zeiten des Informationsüberflusses gilt bei E-Mails: direkt, schnell und schnörkellos soll die Botschaft sein. Zu oft schinden wir mit umständlichen Formulierungen Zeit und Platz. Die KMU-Frauen liessen sich in die Geheimnisse der E-Mail-Korrespondenz einweihen.

Text: Mark Gasser in der Zeitschrift «Zürcher Wirtschaft»

Nur ganze Sätze? Das ist längst überholt. Und das einst im KV vermittelte Dogma, man müsse sich schriftlich im Verkehr mit Kunden «immer freuen, immer bedanken»? Oder nochmals «Bezug nehmen» auf den Auslöser fürs Mail und die vorangegangene Kommunikation? Im Datendschungel, in dessen Dickicht uns die Trennung zwischen Relevantem und Banalem bisweilen abhanden zu kommen droht, sind Nettigkeiten und Floskeln tägliche Störfaktoren im Arbeitsfluss – auch oder gerade im Homeoffice, wo noch mehr E-Mails verschickt werden. «Das war früher anders, als man noch Zeit hatte.» Gerold Brütsch-Prévôt, der mit seiner Frau die dreiköpfige Textagentur «Wortstark» führt, weihte kürzlich bei einem Zoom-Webinar die 34 Teilnehmerinnen der KMU-Frauen in die Geheimnisse des modernen E-Mail-Verkehrs ein.

2 Millionen E-Mails pro Tag

Einfach, direkt, schnörkellos und zielführend kommunizieren, lautet sein Credo: 1,5 bis 2 Millionen E-Mails werden pro Tag in der Schweiz verschickt. Der wahre Zeitfresser aber: Jedes E-Mail generiert im Schnitt weitere sieben. Grund für diesen ungewollten Datenschrott ist allzu häufig, dass schlecht formulierte Mails weitere auslösen, die dann wieder voller floskelhafter Begrüssungen und Verabschiedungen sowie irrelevanter Nebenschauplätze sind. Was die Gefahr wiederum erhöht, den Kern der Botschaft zu verpassen. Dasselbe gilt auch bei der von Brütsch-Prévôt ebenfalls angebotenen Protokollführung sowie beim Schreiben fürs Web, wo man von der 5-Sekunden-Regel spricht: Innert fünf Sekunden entscheidet die Leserin, ob sie weiterklickt.

Gerne sende ich Ihnen …

Brütsch-Prévôt freute sich über die Anmeldezahl und spürte unter den KMU-Frauen «eine Bereitschaft, sich mit der Sprache aus-einander zu setzen». Zum Nach-schlagen hatte er ein Handout verteilt – sowie eine Liste von 20 Floskeln, «die es zu bekämpfen gilt – mein Lieblingsthema». Dabei ist die radikale Kürze allerdings nur ein grober Grundsatz – die Länge sagt schliesslich nichts über den Inhalt aus. Denn jede Branche verwendet eine andere Sprache, eine Anwaltskanzlei kommuniziert anders als ein Blumenladen. Oft präge auch die Person, die schreibe, den Stil. Und kaum eine Firma impft seinen Mitarbeiten-den bei einer Neuanstellung ein, wie sie mit Kunden korrespondieren sollen. Grüezi oder Hallo, sehr geehrter oder werter – als Abgrenzungsmerkmal sei da eine klare Linie aber wichtig. Eckpfeiler der Korrespondenz sei stets ein Dreieck zwischen EmpfängerIn (Geschlecht, Alter, mögliches Profil der Interessenten), dem Unter-nehmen bzw. von dessen Sprach-stil – von dieser wird vor allem die Anrede abhängig gemacht – sowie dem individuellen Schreibstil (natürlich innerhalb der Leitplanken).

Was viele vergessen: «Das E-Mail ist ein elektronischer Brief. Die Basis ist immer der Brief.» Mit einer grossen Ausnahme: Der postalische Brief enthält drei obligatorische Elemente: Einen Einstiegssatz, einen Mittelteil (Informationsteil) und den Ausstiegsteil/Handlungsaufforderung. «Beim E-Mail fangen wir gleich mit dem Mittelteil an, weil wir schnell und zügig kommunizieren müssen.» Aber droht bei der radikalen Reduktion unserer Botschaften gemäss dem Dogma nicht auch das Persönliche, das Menschliche verloren zu gehen? Und wenn E-Mails Briefe ohne Emotionen sind, dann wären ja alle Grussworte und Glückwünsche nur Floskeln? Die Kunst dabei ist, so scheint es, authentisch zu wirken, und das weckt wiederum Emotionen. E-Mails sind standardmässig langweilig, austauschbar, befand Brütsch-Prévôt. «Jedes zweite Mail in der Schweiz beginnt mit «gerne». Oft verwenden wir auch «Leider»:  Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass… Durch die inflationäre Verwendung hätten «gerne» und «leider» etwas Floskelhaftes und somit fast gar keine Wirkung mehr.

Betreff mit Kernbotschaft

Die Kernbotschaft gehöre stets in die Kombination Betreff oder erster Satz – aber nicht beides, so der Referent. Als allergrössten Zeitfresser entlarvte Brütsch- Prévôt den schlecht formulierten Betreff. Die Betreffzeile sei keine Wundertüte, sondern habe allein den Zweck, so viele Informationen wie möglich zu verbreiten: Protokoll vom…, Rechnung für…, Ein-ladung zur…, Reklamation vom… Dabei habe eine gute Betreffzeilen nicht mehr als 30 Zeichen. Diese sollte man am besten am Schluss setzen, «wenn man im Thema ist». Um Mails vom Typ «Jetzt noch mit Anhang» zu verhindern, sollte vor dem Abschicken das Mail auf dessen Zweck und Inhalt hin überprüft werden. Gerade heute, wo insgesamt bei der Mediennutzung weniger als 2 Prozent der angebotenen Informationen auch tatsächlich genutzt werden, zähle jede Se-kunde aus Sicht des Empfängers.

Anrede und Grussformel

Bei der Anrede wurde den KMU-Frauen geraten, möglichst auf die fast schon archaische Formel «Sehr geehrte(r)» zu verzichten oder zumindest eine variable Handhabung (Guten Tag) in Be-tracht zu ziehen. Gemäss Knigge gilt aber immer noch: So wie man angeschrieben wird, so sollte man antworten. Auf der informelleren Seite komme zudem «Grüezi» (je nach Kanton) nicht immer gut an, und je nach (Geschäfts-)Be-ziehung sei das «liebe» zu nah, und das «Hallo» zu salopp. Wenn man daher die Kundin nicht kenne, sei es wichtig, formell zu bleiben. Auch der ideale Ausstieg – die Grussformel – ist variabel: Sowohl fürs formelle «Freundliche Grüsse» als auch fürs informelle «winterliche/herzliche/liebe Grüsse» gebe es je nach Empfänger Argumente.

Schluss mit Floskeln – jetzt gleich für einen Schreibkurs anmelden!

Die Sache mit dem Vertrauen

Ein Autokauf ist Vertrauenssache. Matratzenkauf auch. Bettfedern reinigen sowieso. Versicherungen sind natürlich auch Vertrauenssache. Und selbst ein Diamantenkauf ist Vertrauenssache, weil schliesslich ein Diamant nicht gleich ein Diamant ist.

Jetzt mal ganz ehrlich, Sie als potenzieller Käufer, potenzielle Käuferin: Berücksichtigen Sie ein Geschäft, einen Lieferanten, nur weil auf der Website steht, dass der Kauf Vertrauenssache sei?

Eben. Blablabla.

Mag ja sein, dass die Verfassenden dieser Vertrauenssätze tatsächlich davon überzeugt sind, was sie da von sich geben. Näherliegend ist aber, dass über den Sinn dieses Satzes gar nicht nachgedacht wird. Und schon gar nicht über seine Wirkung. Dieses Vertrauen macht ja ein Unternehmen nicht einzigartig – im Gegenteil. Vertrauen kann man sich nur erarbeiten – aber nicht anbieten.

Meistens kommt ja dann noch das Blabla mit dem «kompetenten Team», das sich «auf Herausforderungen freut». Denn schliesslich steht «der Kunde immer im Mittelpunkt» und «Service wird bei uns immer grossgeschrieben».

Also: Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und lassen Sie den Floskel- und Phrasen-Scan über Ihre Über-uns-Seite laufen. Wetten, dass Sie mindestens die Hälfte des Textes streichen können?

Tipps für erfolgreiche Weihnachts- und Neujahrskarten

1. Erinnern Sie daran, dass das Jahr zu Ende geht

Die wenigsten Kunden haben realisiert, dass das Jahr zu Ende geht. Darum starten Sie den Text für die Weihnachtskarte immer mit dem Satz: «Das Jahr neigt sich dem Ende zu.» Varianten: «Wie die Zeit vergeht – bereits geht das Jahr wieder zu Ende» oder «Ein spannendes Jahr nähert sich dem Ende.»

2. Schreiben Sie überraschende Sätze

Zum Beispiel: «Wir wünschen Ihnen schöne Festtage und alles Gute im neuen Jahr.» Das haben Ihre Kunden und Kundinnen so garantiert noch in keiner Weihnachtskarte gelesen. «Besinnliche Festtage» ist auch schön. Und werden Sie mit « … im Kreise Ihrer Familie» ruhig mal etwas persönlich.

3. Oder noch besser: Nehmen Sie den Text vom Vorjahr

Copy and Paste – und schon kann die Druckmaschine loslegen. Der Text hat schliesslich immer gut funktioniert. Und wer erinnert sich schon an das Geschreibe vom letzten Jahr?

Kurze. Headlines. Wirken.

Die Welt ist kompliziert und die Informationsüberlastung gross. Je nach Quelle verpuffen bis zu 98 Prozent aller Botschaften und kommen in den Köpfen der Konsumenten gar nie an. Kein Wunder bei nur schon 85 Sorten Toilettenpapier. Und dem vielen Kleingedruckten. Ein Goldfisch kann sich neun Sekunden konzentrieren. Ein Mensch nur acht.

Umgesetzt auf Texte und Sprache heisst das: Nur noch Stichworte kommen an. Sätze mit mehr als sechs Wörtern überfordern die Lesenden. Deshalb formulieren die Texterinnen und Texter der Kreativagenturen ihre Headlines und Claims kurz und bündig. Gleich dem Stakkato in der Musik: kurze, abgehackte Töne.

Scheinbar ging diese Erkenntnis wie ein Tsunami der Erleuchtung durch die Text- und Werbeagenturen des deutschsprachigen Europas. Von einem Tag auf den anderen wurde auf Stichworte umgestellt.

«Einfach. Mehr. Wert», sagt uns die Bank Linth. «Einfach. Klar. Helvetia», doppelt die Versicherung nach. «Einfach. Sicher. Unterwegs», lautet der Slogan des deutschen ADAC. «Einfach. Clever. Beraten», verspricht uns eine Telekommunikationsfirma.

Da sieht man auf den ersten Blick: Die Welt ist einfach. So wie die Claims.

Der Vorteil dabei ist, dass Texter und Texterinnen von der Rechtschreibung und den Kommaregeln nicht mehr geplagt werden. Und auch Korrektoren, Korrektorinnen werden so entlastet. Ausserdem passt die stichwortartige Kommunikation perfekt in die heutige Zeit. Im Coop to go heisst es schliesslich auch: Sack welle? Bschteck welle? Quittig welle?

Erfunden haben es aber nicht die Schweizer. Erfunden hat es Ritter Sport bereits 1970. Mit dem legendären «Quadratisch. Praktisch. Gut» für die quadratische Schokolade.

Getrennt- und Zusammenschreibung macht Kopfzerbrechen

Hätten Sie es gewusst?
Übrigens: Dem Wortstark-Korrektorat entgeht (fast) kein Fehler! 😊

Verb und Verb
Verbindungen aus Infinitiv und Verb werden normalerweise getrennt geschrieben.

spazieren gehen, fallen lassen

Nomen und Verb
Diese Zusammensetzungen schreibt man meist getrennt, das Nomen wird dann immer grossgeschrieben.

Ski fahren, Diät halten

Ausnahmen
Die Einzelfälle mit Zusammenschreibung sind leicht einzuprägen:

  • irreführen
  • leidtun
  • pleitegehen
  • standhalten
  • stattfinden
  • teilhaben
  • teilnehmen
  • wettmachen
  • wundernehmen
  • alle Verbindungen mit «heim» wie heimbringen, heimkehren etc.

Zusammensetzungen mit dem Verb «sein»
Diese werden immer getrennt geschrieben!

da sein, auf sein

Adjektiv und Verb

Adjektive, die ein Resultat ausdrücken, sind grundsätzlich zusammenzuschreiben.

saubermachen, leeressen

Adjektive, die nicht eine wortwörtliche Bedeutung haben, sondern im übertragenen Sinn verstanden werden, werden ebenfalls zusammengeschrieben.

kürzertreten, leichtfallen

Partikel und Verb
Als Faustregel gilt: Wird das Verb betont, sind Partikel und Verb getrennt zu schreiben. Ansonsten sollte zusammengeschrieben werden.

aneinander denken

aneinanderreihen

zusammensitzen (Wir sitzen an der Sitzung zusammen.)
zusammen sitzen (Wir sitzen zusammen hinter Schloss und Riegel.)

Sind Sie einzigartig?

Wenn Sie Ihre Briefe und E-Mails mit «Bezugnehmend auf Ihren gestrigen Anruf sende ich Ihnen beiliegend unsere neue Broschüre» anfangen und mit «… für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung» beenden – dann eher nicht. Und Ihr Arbeitgeber, der solche Sätze zulässt, ebenso wenig.

Einzigartig heisst ja einmalig, ohnegleichen, exklusiv … Und die meisten Menschen nehmen das auch für sich persönlich in Anspruch. Sie kleiden sich in ihrem eigenen Stil, kombinieren die passenden Farben, wohnen individuell möbliert, wählen ein Auto nach persönlichen Kriterien aus.

Bei der Sprache sind sie weniger wählerisch. Meistens übernimmt man Vertrautes und begnügt sich mit ausgeleierten Floskeln. Und kaum jemand kümmert sich um einen persönlichen Schreibstil.

Gleiches gilt auch für die meisten Unternehmen. Die Sprache ist selten Teil der Identität. Firmen beschreiben sich in Leitsätzen, kreieren ein Logo und bedrucken damit das Geschäftspapier und -auto. Umfragen haben ergeben, dass sich rund die Hälfte aller Firmen im deutschsprachigen Raum gar nicht bewusst ist, dass die Unternehmenssprache ein wichtiger Teil des Auftritts sein könnte. Und schon gar nicht die Brief- und E-Mail-Sprache, über die tagtäglich die meisten Kontakte mit Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Partnern stattfinden.

Wikipedia beschreibt Floskeln und Phrasen so: «In der Umgangssprache werden viele Floskeln verwendet, oft ohne dass man sich dessen bewusst ist. […] Dabei macht jede Floskel für sich noch kein schlechtes Deutsch aus. Allein ihr unablässiger, zwanghafter und unbewusster Gebrauch weist ihre Verwender als Menschen aus, die sich kaum, nicht hinreichend oder gar nicht mehr der Mühe sorgfältiger und präziser Formulierung unterziehen.» Dieser Satz bringt es auf den Punkt: Floskeln sind nie persönlich, nie empfängerorientiert. Sie sind austauschbar und nie einzigartig. Der Kunde, die Kundin ist es nicht wert, einen persönlichen und einzigartigen Satz zu formulieren.

Nehmen wir spontan ein paar Sätze aus irgendeiner Website oder einer Werbebroschüre. Was meinen Sie dazu?

«Kompetente Beratung, ein seriöses Offert- und Auftragswesen, eine klare Arbeitsplanung und die Qualitätssicherung sind für unser Unternehmen selbstverständlich und eine Voraussetzung für ein gutes Endprodukt.»

Dieser Satz ist ein Kunstwerk: 210 Zeichen (inkl. Leerschlägen) und keine Aussage. Aneinandergereihte Selbstverständlichkeiten; klingt zwar auf den ersten Blick ganz passabel, ist aber nichts wert.

«Ein Schadenfall ist eine ungewohnte Situation, die immer auch mit organisatorischem und administrativem Aufwand verbunden ist.»

Ehrlich jetzt? Danke, liebe Versicherung, darauf wären wir ohne diesen Hinweis nie gekommen. Das Auto hat zwar Totalschaden oder die Küche ist ausgebrannt – aber dass dies eine ungewohnte Situation sein könnte, verbunden mit administrativem Aufwand, das hätten wir ohne diesen Satz nicht herausgefunden.

«Jede unserer Lösungen beginnt mit einer individuellen und fachmännischen Beratung. Unser oberstes Ziel ist es, Ihre Wünsche und Vorstellungen optimal umzusetzen.»

Gut gemeint – aber ist das nicht klar? Ist das nicht das Mindeste, was der Kunde, die Kundin erwartet? Und kann dieser Satz nicht von fast allen Firmen verwendet werden?

Diese Floskeln dürfen Sie ab heute nicht mehr verwenden!

«Beiliegend sende ich Ihnen die gewünschten Unterlagen.»

Diese Phrase könnte zu Missverständnissen führen: Wer das schreibt, müsste selbst im Couvert liegen oder sich aufgelöst im E-Mail digital zum Empfänger beamen. Und das ist ja meistens nicht der Fall.

Was der Empfänger sieht, müssen Sie nicht schreiben: Er hat den dicken Reisekatalog ja bereits entdeckt, bevor Sie ihn darauf hinweisen, dass er beiliegt. Und auch die PDF-Datei, die Sie ihm oder ihr zusenden. «Angehängt» oder «Anbei» sind übrigens ebenso unnötig und bürokratisch.

Besser: «Wir senden Ihnen die gewünschten Unterlagen.» Oder: «Sie erhalten unseren Geschäftsbericht.» Oder, noch besser: «Unsere Broschüre zeigt Ihnen unsere neue Kollektion – farbig, inspirierend und topmodisch!»

«Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom …»

Dieser Einstieg stammt aus der Zeit, als in den Amtsstuben am Stehpult noch mit Feder und Tinte geschrieben wurde. Doch auch die digitalen Kommunikationskanäle haben sie bis heute nicht ausgerottet – sie hält sich hartnäckig.

Besser: weglassen. In den meisten Fällen weiss der Empfänger, die Empfängerin, worauf Sie «Bezug» nehmen. Und wenn es trotzdem sein muss: «Vielen Dank für Ihr Schreiben vom …»

Weitere Möglichkeiten: «Sie haben mir am 3. März 2016 mitgeteilt, dass …» oder «In Ihrer Offerte vom 2. März 2016 fehlen die Versandkosten».

Floskelfrei schreiben: Besuchen Sie einen meiner Schreibkurse oder buchen Sie einen Firmenkurs!

Selber oder selbst?

Er will alles selber machen. Kann ich das Hotel selbst buchen? Er hat sich selber davon überzeugt. Die Guetzli sind selbst gebacken.

Beides ist richtig.

Der Duden meint dazu: «Die Form selbst gehört mehr der Standardsprache oder der gehobenen Sprache an, die Form selber dagegen wird zuweilen als umgangssprachlich empfunden.»

Auch die Schweizer Medien schreiben mal selbst und dann wieder selber, ganz ohne Regel – das scheint man den Journalisten, den Journalistinnen zu überlassen. Oder dem Korrektorat.

Es handelt sich übrigens um ein indeklinables Demonstrativpronomen … 😊